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DIE BILDWELTEN DES MARTIN OFORI - DOPING FÜR DIE FANTASIE

 

Stellen Sie sich vor, Sie landen auf einem fremden Planeten. Alles scheint wie gewohnt. Und doch auf unbestimmte Weise anders als dort, woher Sie kommen, eine erstaunliche Parallelwelt. Je länger sie schauen, desto mehr fesselt Sie das Unvertraute im Vertrauten: faszinierende kleine Abweichungen, Bedeutungsverschiebungen, außerweltliche Stimmungen, fremdartige Schönheit. Sie beginnen diesen Planeten zu erkunden und stellen fest: Sie sind auf der Erde. Nur haben Sie die Erde so noch nicht gesehen.

 

Martin Oforis Bilder sind Einladungen, unsere Welt neu zu erkunden. Hinter der gebrauchstauglichen Fassade, die Augen und Medien uns täglich vermitteln, wird etwas Älteres, Größeres sichtbar. Im Erlernten, Genormten, Schnelllebigen scheint jene verloren geglaubte universelle Mystik auf, aus der unsere Vorfahren ihre Geschichten woben. Voller Geheimnis sind diese Erzählungen, rätselhaft, die Fantasie ankurbelnd. Manche der Bilder wirken, als hätten Menschen die Welt überstürzt verlassen, was den Dingen eine völlig andere Bedeutung gibt: Ihrer Funktion enthoben, führt eine Gruppe leerer Sonnenliegen ein verschwiegenes, rätselhaftes Eigenleben, wird ein solitärer Wegweiser in archaischer Landschaft zum Relikt einer vielleicht verschwundenen, vielleicht nur zwischengelandeten Zivilisation, ähnlich wie die Hinterlassenschaften der Apollo-Besatzungen auf dem Mond.

 

Fotografiert Ofori dann doch Menschen, scheinen diese weniger in seinen Welten heimisch zu sein als diese zu erkunden. Selbst, was Menschen erschaffen, was sie erbaut haben, gewinnt aus Oforis Betrachtungswinkel eine fremdartige, enigmatische Präsenz. Unser innerer Geschichtenerzähler erwacht und nimmt seinen Platz am Lagerfeuer ein – was war vor dem Moment, den wir sehen, was passiert als nächstes? Oforis Bilder verschließen sich der Eindeutigkeit so sehr, wie sie den Raum für Interpretation weit öffnen. Sie machen neugierig auf das Davor und das Danach. Mehr, als die Geschichte des Fotografen zur Geschichte des Betrachters zu machen und so eine Vielzahl immer neuer, sehr persönlicher Geschichten zum Leben zu erwecken, kann ein Bild nicht leisten – im besten Sinne Doping für die Fantasie.

 

Das sieht vor allem gut aus, oftmals grandios, entwickelt einen Sog, dem man sich schwer entziehen kann. Gerade auch, weil Ofori eben keine ausgefuchsten fotografischen Techniken bemüht. Vielmehr folgt die Technik dem Spontanen, Ungeplanten, nicht Vorhersehbaren. Aus Unschärfe entsteht Geheimnisvolles und Vieldeutiges. Kraft schöpfen diese Bilder aus der Andeutung, aus dem Flüchtigen. Nun sind Schnappschuss-Technik und Lomo-Ästhetik im Prinzip nichts Neues. Aber unter Millionen Augenblicken den richtigen Augenblick intuitiv festzuhalten – darin liegt die Kunst. Was Ofori dann folgen lässt, ist gewissermaßen das Geheimnis des vollendeten Makeups. Digitale Nachbearbeitungen, die nicht mit dem technisch Möglichen klotzen, sondern die Magie des Bildes behutsam, ja sinnlich vertiefen. Und das beherrscht Martin Ofori als Mitgestalter ikonischer Bildwelten aus Kino-Blockbustern von »Harry Potter« bis »Avengers« meisterlich.

 

Der Fundus, aus dem diese Ausstellung entstand, sind 18.000 Fotos, die Ofori während einer achtmonatigen Weltreise geschossen hat. Mit motivischer, durchgeplanter, klassischer Fotografie hat das nicht mehr viel zu tun. Eher mit dem nie ermüdenden Bewusstseinsstrom in den Werken eines James Joyce, einer Virginia Woolf, in Stanley Kubricks »2001: A Space Odyssee«. Am Ende gibt es keine Antworten. Nur Staunen.

 

Vorwort von Frank Schätzing

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